Zu Gast bei der Perle des Harzes

Von Jens Burmester

Lüneburg / Thale. „Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“. Diesem Zitat des deutschen Dichters Matthias Claudius (1740 – 1815) werden die 42 „Oldies“ der Senioren-Freizeit-Abteilung garantiert folgen, können sie doch viel berichten von dem, was sie erlebten.

Wir schreiben Mittwoch, 26. Mai 2010, 6.20 Uhr: Am LSV-Klubheim herrscht um diese Zeit gähnende Leere, Lady Sunshine allerdings zeigt sich in den frühen Morgenstunden bereits von ihrer besten Seite, dazu ein strahlend blauer und wolkenloser Himmel, die Vögel zwitschern und noch ist Ruhe in der Schützenstraße. Doch wenige Minuten später füllt sich das Parkplatz-Areal des Vereins. Nach und nach treffen die Senioren ein, einige hellwach, andere wiederum noch ein wenig müde, doch Letzteres ist schnell vorüber.

Marlies Gienke und Fritz Juschkus vom Organisations-Team schauen mit wachsamen Augen auf die Gruppe. „Sind wir vollzählig ?“ fragt ein gutgelaunter Juschkus. Es ist 6.55 Uhr. Inzwischen ist der 52 Sitzplätze fassende Reisebus eingetroffen, Fahrer Heinz-Günther Rüter hat beide Türen geöffnet, die „Oldies“ steigen ein und nehmen ihre reservierten Plätze ein. Noch ein Blick in die Reihen – alles klar, alle sind an Bord. Wir schauen auf die Uhr: 7.08 Uhr. Endlich, die Reise beginnt. Das Ziel: Thale, etwa 260 Kilometer von Lüneburg entfernt gelegen.

Rüter begrüßt seine Touristen mit den Worten: „Herzlich willkommen auf unserer Fahrt in den Harz. Ich musste heute Morgen Eis kratzen.“ Kein Wunder, zeigt sich der Wonnemonat Mai eher von seiner kalten Seite. Danach lauscht die Truppe gebannt den Worten von Fritz Juschkus, der ebenfalls seine „Oldies“ willkommen heißt. „Wir fahren heute mit einem ganz neuen Bus, aber wir haben keine Leute mehr. 13 Stammgäste sind diesmal nicht dabei“, stellt er ein wenig wehmütig fest. Doch davon läßt sich das Organisations-Team nicht unterkriegen.

Während der gut drei Stunden dauernden Fahrt, die zunächst entlang der B 4 über Uelzen, Gifhorn und Braunschweig führt, kommt keine Langeweile auf. Die einen dösen in den bequemen Sitzen, andere wiederum stillen ihren Informationsdurst per Zeitungslektüre oder halten einen Small-talk. Und so vergeht die Zeit wie im Fluge.

Um 9.10 Uhr ist die Silhouette des Harzer Vorlandes zu sehen. Rüter weist fachkundig die Teilnehmer darauf hin, ihren Blick nach rechts aus dem Fenster zu richten. Dort sehen wir den höchsten Berg des Harzes – den Brocken (1.142 m). 18 km vor Bad Harzburg erblicken die einen oder anderen das Hinweisschild „Schlangenfarm“ und linksseitig in Fahrtrichtung die Gebäudeteile der Farm. Hier liegt Europas größte Schlangenfarm mit mehr als 1.300 Gift- und Riesenschlangen, Krokodilen, Piranhas oder Skorpionen, deren Inhaber Jürgen Hergert als Weltrekordinhaber im „Schlangen-sit-in“ 1983 über 90 Tage in Deutschland gilt.

Die LSV-Touristen auf der Roßtrappe nahe Thale kurz vor der Rückfahrt. Foto: jb
Die Senioren treffen allmählich ein. Foto: jb
Komfortabel reist es sich besser. Foto: jb

Weiter geht es auf der B 6 in Richtung Wernigerode / Abbenrode. Es wird leicht hügelig, der Brocken „verfolgt“ uns weiterhin auf der rechten Seite in Fahrtrichtung. Nach zwei Stunden und 18 Minuten verlassen wir das zweitgrößte deutsche Bundesland Niedersachsen und erreichen das Drittgrößte der fünf „neuen“ Bundesländer: Sachsen-Anhalt. Wir nehmen die Abfahrt Abbenrode und fahren weiter in Richtung Wernigerode. Auf dem Parkplatz „Brockenblick“ legt unser Fahrer eine Pause von 15 Minuten ein. Eine willkommene Rast für die „Oldies“, sich endlich die Beine zu vertreten.

Gegen 9.56 Uhr ist unser Bus noch 14 Kilometer von Thale entfernt. 12 Minuten später, nach genau drei Stunden, passieren wir die Ortstafel der Stadt Thale, eine rund 17.000 Einwohner zählende Kleinstadt am nordöstlichen Rand des steil abfallenden Harz-Gebirges. Vom Parkplatz „An den Seilbahnen“ geht´s zu Fuß in etwa zehn Minuten zur Talstation Bodetal. Von dort startet die Kabinenbahn Hexentanzplatz. Hier erwarten uns Bernd Albrecht und Siegfried Rüge, Touristenführer und freiwillige Mitarbeiter der „Seilbahnen Thale Erlebniswelt“. Getrennt in zwei Gruppen besichtigen wir das Schauwasserkraftwerk Bodetal. Ein einmaliges Erlebnis, dürfen wir doch einen Blick in dieses gigantische technische Wunderwerk werfen. Ein Zellenwasserrad mit einem Durchmesser von sechs Metern und einem Eigengewicht von 32 Tonnen erzeugt bis zu 113 Kilowatt Strom pro Stunde. 4.000 Liter Wasser werden pro Sekunde durch das Wasserrad getrieben. Damit werden unter anderem die beiden Seilbahnen, die zum einen auf die 400 m hohe Felsspitze Roßtrappe und auf den 431 Meter hohen Hexentanzplatz führen, über Wasserkraft angetrieben. „Wir können auch bis zu 130 Haushalte damit versorgen“, berichtet Siegfried Rüge und weist uns zudem auf die nebenan im Bau befindliche Bodetal-Therme hin, die im Januar 2011 ihren Betrieb für Kurgäste aufnimmt.

Parkplatz "Brockenblick": Kurze Pause für die Senioren, um sich die Beine zu vertreten. Foto: jb
Die "Oldies" auf dem Weg vom Parkplatz "An den Seilbahnen" zur Talstation Bodetal. Foto: jb
Das Zellenwasserrad Foto: jb
Keine Orientierungsprobleme Foto: jb

Nach der interessanten Führung besteigen wir um 11.45 Uhr unseren Reisebus. Jetzt verlangt die Fahrt zum Berghotel „Roßtrappe“, in dem wir zu Mittag essen, für Heinz-Günther Rüter fahrerisches Geschick und Aufmerksamkeit. Denn vom Parkplatz geht es mit 14 Prozent Steigung zum Lokal. Nach knapp acht Minuten reibungsloser Fahrt sind wir am Ziel. In einem extra für uns reservierten Speisesaal stehen Pangasiusfilet auf Gemüsestreifen mit Kartoffelschnee sowie Harzer Schwarzbierfleisch, also Goulaschfilet von Rind und Schwein (mindestens 24 Stunden in Schwarzbier gezogen) mit Rotkohl und Salzkartoffeln zur Auswahl. Und als erfrischendes Dessert wird Vanilleeis mit heißen Himbeeren von zwei attraktiven Bedienungen serviert.

Nach dem Mittagessen heißt es: Freizeit. Während die einen eine kleine Wanderung unternehmen, nutze ich die Gelegenheit, die beiden Seilbahnen anzusteuern. Mit den Bahnen Roßtrappe und Hexentanzplatz geht´s je einmal rauf und runter. Zunächst nehme ich den Sessellift Roßtrappe in Richtung Talstation. Fahrtzeit: Etwa 10 Minuten an frischer Luft. Nach wenigen Sekunden ergibt sich ein wunderschönes Panorama auf die Stadt Thale und Umgebung. Von der Talstation schlender ich gemütlich zur nächsten Talstation. Ihr Name: Bodetal. Die Kabinenbahn bringt mich in acht Minuten zur Bergstation Hexentanzplatz. Während der Fahrt schwebt man sicher und majestätisch und gefühlvoll auf 431 Meter mit dem sagenhaften Bodetal und mit Aussichten, die einem am Boden verwehrt bleiben. Dabei werden 244 Meter Höhendifferenz überwunden. Thale ist bekannt für das Bodetal, seine Hexen, Teufel und allerlei Mystik.

Um 14.25 Uhr treffe ich wieder am Berghotel ein. Die meisten Senioren sitzen bei angenehmen Temperaturen draußen und genießen ihren Kaffee und Kuchen sowie die Ruhe und Gemütlichkeit. Doch dann heißt es: Abschied nehmen. Um 15.18 Uhr setzt Heinz-Günther Rüter seinen Bus in Bewegung, und es geht in einem „Ruck“ bis Jelmstorf, wenige Kilometer vor den Toren der Hansestadt Lüneburg gelegen. Dort findet – wie immer bei den Tagesfahrten – die sog. „Siebersche Sause“ statt. Benannt nach dem Spartengründer Fritz Siebers, der seinerzeit als krönenden Abschluß eines ereignisreichen Ausflugs seine Truppe mit belegten Brötchen und allerlei Flüssigem versorgte. Doch gesundheitliche Gründe zwangen ihn, seit drei Jahren nicht mehr an den Fahrten teilzunehmen.

So setzen Marlies Gienke und Fritz Juschkus auch auf der Rücktour von Thale die Tradition fort. Diesmal ist Station am Vereinsheim vom SV Jelmstorf. Nachdem etwa 50 Brötchen geschmiert, belegt und vertilgt sind, geht es zurück zum LSV-Klubheim. Um 19.13 Uhr, also nach 12 Stunden und fünf Minuten, ist es geschafft. Im wahrsten Sinne des Wortes: Alle sind ein wenig müde und eben geschafft, doch eines überwiegt: Die schönen Erinnerungen an einen schönen Tag. Getreu Matthias Claudius: „…, so kann er was erzählen.“

Mittagszeit im Lokal auf der Roßtrappe: Unsere "Oldies" lassen es sich gleich schmecken. Foto: jb
Herrlicher Blick vom Sessellift Roßtrappe auf Thale und Umgebung. Foto: jb
Die Kabinenbahn Hexentanzplatz: Blick von der Bergstation ins Bodetal. Foto: jb